Verkehrssicherheit automatisierter Fahrzeuge
Voll automatisiert und autonom fahrende Fahrzeuge können ein großer Gewinn für die Verkehrssicherheit sein, wenn sie unter allen Bedingungen und in allen Umgebungen fehlerfrei funktionieren. Bis sämtliche Fahrzeuge dazu in der Lage sind, ist der Zeithorizont bis zum Jahr 2050 nicht unrealistisch.
Beschlussfassung
- Hochautomatisierte Fahrzeuge, die den Fahrer als Rückfallebene bei Erreichen der Systemgrenzen vorsehen, geben für die Übernahme der Fahraufgabe möglicherweise nicht genügend Zeit. Solche Systeme müssen daher vor Zulassung intensiv getestet werden. Die zertifizierten Testergebnisse müssen veröffentlicht werden.
- Teilautomatisierte Fahrzeuge beherrschen viele Verkehrssituationen nicht. Sie müssen vom Fahrer kontinuierlich überwacht und gegebenenfalls korrigiert werden. Mangels hinreichend breiter Felderprobung und vor dem Hintergrund vorhandener Simulatorstudien bestehen Zweifel, ob dies von Menschen in der gegenwärtigen Funktionalität der Systeme zu leisten ist. Deshalb sind solche Systeme ebenfalls intensiv durch professionelle Fahrer zu testen und die Testprotokolle offenzulegen. Eine Zulassung für den Straßenverkehr darf nur erfolgen, wenn solche Fahrzeuge nicht unsicherer sind, als entsprechende mit Assistenzsystemen ausgerüstete Fahrzeuge.
- Das Gesetz zu diesem Themenkomplex bezieht sich ausschließlich auf hoch- und voll automatisierte Systeme, die in ihrer technischen Spezifikation bei der UN/ECE noch gar nicht definiert sind. Diese Definition muss in Abgleich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen rasch erfolgen.
- Das vorliegende Gesetz sieht den Fahrer weiterhin in der Verantwortung. Dies mag sowohl juristisch als auch politisch berechtigt und notwendig sein. Wir haben allerdings die Sorge, dass dies den Fahrer überfordert und werden entsprechende Fälle, wenn sie auftreten, kritisch begleiten.
- Bisherige Fahrerassistenzsysteme sind so weiter zu entwickeln, dass sie den menschlichen Fahrer effektiv dann unterstützen, wenn er dabei ist, einen Fehler zu machen.
- Warnfunktionen und gezielte automatische Eingriffe zur Unfallvermeidung werden in ihrer Wirkung in der Bevölkerung unterschätzt. Hier muss durch Aufklärungsarbeit dafür gesorgt werden, dass diese Systeme grundsätzlich und in allen Fahrzeugkategorien gekauft werden. Hersteller sind aufgefordert, solche Systeme serienmäßig anzubieten.
Problembeschreibung
Automatisches Fahren wird aktuell als Zukunft der Mobilität dargestellt. Es wird die Erwartung geweckt, dass in den nächsten 10 Jahren automatisches Fahren völlig neue Möglichkeiten der Mobilität bietet und die immer noch hohe Anzahl von Verkehrsunfällen drastisch reduzieren wird, da Fehler der Fahrer als Unfallursache eliminiert werden. Automatische Fahrzeuge sollen so programmiert sein, dass sie sicher fahren. Automatische Systeme machen angeblich keine Fehler (oder zumindest deutlich weniger als menschliche Fahrer).
Diese Annahmen treffen bei näherer Betrachtung nicht zu. Aber selbst, wenn sie zuträfen, ist der Zeithorizont vollkommen unrealistisch. Unter der optimistischen Annahme, dass ab dem Jahr 2020 jedes neu zugelassene Fahrzeug mit der entsprechenden Funktionalität ausgerüstet ist, würde es bereits 30 Jahre dauern, bis alle Fahrzeuge automatisiert fahren können. Zumindest in den ersten Jahren nach der Einführung automatischer Fahrzeuge werden diese allerdings nur eine von vielen möglichen Varianten sein. Es ist schwer abzuschätzen, ab wann (wenn überhaupt) alle Neufahrzeuge verpflichtend automatische Fahrzeuge sein werden. Hinzu kommt, dass die Automation abschaltbar gestaltet sein wird, und wir noch nicht wissen, in welchem Maße die Nutzer davon Gebrauch machen werden. Auch Probleme des Mischverkehrs zwischen automatisierten Fahrzeugen und Fahrzeugen, die durch Menschen gesteuert werden, sind bisher nicht hinreichend erforscht. Momentan ist auch völlig unklar, wann auch die komplexen Situationen innerorts durch automatische Fahrzeuge sicher bewältigt werden können.
Dabei stellt die wesentliche Forderung, dass die Technik nicht schlechter sein darf als der Mensch, eine hohe Hürde dar: Menschlichen Fahrern gelingt es, nur einen Unfall mit Personenschaden auf 2.5 Millionen Kilometer zu verursachen, und das in allen, auch komplexen Situationen. Wenn man die aktuellen Fehlerraten bei komplexer Software betrachtet, so erscheint dies durchaus als große Herausforderung.
Besonders problematisch erscheint, dass nicht etwa der Sprung vom jetzigen assistierten Fahren zum vollautomatisierten Fahren übergangslos gelingt, sondern im Gegenteil in den Entwicklungsstufen des teil- und hochautomatisierten Fahrens eine Kontrolle durch den Fahrer und sein jederzeitiges Eingreifen in Problemsituationen vorgesehen ist. Diese Kontrolle soll er schaffen, obwohl zumindest die Gefahr besteht, dass ihm die Grenzen der Funktionalität nicht bekannt sind und diese sich vermutlich auch von Fahrzeug zu Fahrzeug unterscheiden.
Bisher ist auch nicht klar, ob ein nicht-technischer, normaler Fahrer weiß, welche Teile der Fahraufgabe durch diese Systeme auf welche Weise unterstützt werden. Das Verständnis wird noch dadurch erschwert, dass verschiedene Hersteller dieselben Funktionen unter verschiedenen Namen anbieten, aber auch unterschiedliche Auslegungen von Systemen sehr ähnlich genannt werden.
Stand der Wissenschaft
Inzwischen sind erste Fahrzeuge erhältlich, die teilautomatisiert fahren. Diese sind funktional unzulänglich und nicht in der Lage, alle Situationen zu bewältigen. Der Fahrer muss hier die ganze Zeit aufmerksam sein und das System überwachen. Langjährige Forschung hat gezeigt, dass Menschen für derartige Überwachungsaufgaben nur begrenzt geeignet sind. Bei diesen Fahrzeugen werden neue Unfälle geschehen, die durch fehlerhafte Technik verursacht werden und durch den Fahrer nicht beherrschbar sind. In den nächsten Jahren werden dann verbesserte Systeme verfügbar sein, die in bestimmten Zeiträumen alleine fahren, aber nicht in der Lage sind, alle auftretenden Situationen zu bewältigen. Man bezeichnet dies als hochautomatisiertes Fahren. Hier muss der Fahrer das Fahrzeug zwar nicht mehr die ganze Zeit überwachen, aber bei Erreichen der Systemgrenzen nach Aufforderung eingreifen.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Gespräche zu einer UN/ECE-Regelung über den technischen Standard solcher Systeme soll der Fahrer für die sichere Übernahme der Fahraufgabe gegebenenfalls nur 4 Sekunden Zeit erhalten. Neueste Forschungsergebnisse der TU Braunschweig zeigen allerdings, dass ein ausgeschlafener Fahrer, wenn er eine beanspruchende Nebenaufgabe ausführt, selbst nach einer kurzen Fahrstrecke mit dem hochautomatisierten System rund 8 Sekunden braucht, um das Fahrzeug zu übernehmen und rund 14 Sekunden, um wieder die volle Situationskontrolle zu erlangen (erster Blick in den Rückspiegel und auf den Tacho). Bei einem müden Fahrer gilt Vergleichbares. Allerdings zeigt eine weitere Studie der TU Braunschweig, dass die Fahrer im hochautomatisierten Modus deutlich schneller ermüden und deshalb eine automatisierte Fahrt nicht zu empfehlen ist, die länger als 15 Minuten dauert.
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Würzburg,
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