Section Control
Beschlussfassung
Die Deutsche Verkehrswacht ist davon überzeugt, dass nach den überaus positiven Erfahrungen im Ausland auch der Modellversuch in Niedersachsen eine nennenswerte Reduktion der Unfallzahlen und Verkehrsopfer im Versuchsgebiet zeigen wird. Sie spricht sich daher dafür aus, schon jetzt auch in anderen Bundesländern Modellprojekte einzurichten. Bei erfolgreicher Evaluation sind alle Bundesländer aufgefordert, Section Control im Rahmen der Vorgaben des Verkehrsgerichtstages einzuführen. Die notwendigen Rechtsgrundlagen sollten in den Polizeigesetzen der betreffenden Bundesländer oder in einem Bundesgesetz zügig geschaffen werden.
Als Prämissen für eine gesetzliche Ermächtigungsnorm der Strecken-Geschwindigkeitsüberwachung gelten die Beschlüsse des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages aus dem Jahr 2009. Dieses Gremium beschloss die folgenden juristischen Vorgaben:
- „Section Control ist nur an Unfallhäufungsstrecken (drei Unfälle mit getöteten oder schwerverletzten Personen auf etwa einem Streckenkilometer in einem Zeitraum von drei Jahren) zulässig.
- Die erhobenen Daten dürfen ausschließlich für die Geschwindigkeitsüberwachung verwendet werden. Eine Verknüpfung mit anderen Registern oder gespeicherten Daten ist unzulässig. Ein Zweckveränderungsverbot ist in die Ermächtigung aufzunehmen.
- Es ist technisch sicherzustellen, dass Daten zu Fahrzeugen, mit denen die Geschwindigkeit nicht überschritten worden ist, nach Abschluss der Messung sofort automatisch und spurenlos gelöscht werden. Zugriffe auf die Daten während der Messung sind auszuschließen.
- Der überwachte Streckenabschnitt soll mit gut sichtbarem Hinweisschild angekündigt werden.“
Das Land Niedersachen wird sich in seinem Modellprojekt vollständig an diese Vorgaben halten und damit auch klarstellen, dass die Maßnahme ausschließlich zur Verbesserung der Verkehrssicherheit eingesetzt wird. Im Rahmen des Probebetriebes wird das technische Zulassungsverfahren bei der Physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig betrieben werden, alsdann wird die Anlage geeicht und geht aufgrund einer im niedersächsischen Landesrecht verankerten Rechtsgrundlage in den Echtbetrieb. Der Versuch wird wissenschaftlich evaluiert.
Problembeschreibung
Rund 60 Prozent aller in Deutschland im Straßenverkehr Getöteten starben auf einer Landstraße. Geschwindigkeitsdelikte sind dort eine der Hauptunfallursachen. Demgegenüber existieren derzeit allerdings nur unzureichende technische Möglichkeiten zur Geschwindigkeitsüberwachung.
Entweder wirken diese nur punktuell, wie bei der stationären Überwachung, oder sie erreichen einen zu geringen Flächendruck, weil die mobile Überwachung durch Polizei oder Kommunen zwar an wechselnden Standorten, aber mit für die Größe des Netzes zu wenigen Fahrzeugen ausgeführt wird. Geschwindigkeitsüberwachung mittels Videokraftfahrzeugen der Polizei erfasst, in der Natur der Sache liegend, nur wenige und meist nur die extremen Überschreiter.
In den benachbarten europäischen Staaten (z. B. Niederlande, Österreich, Schweiz) wird die Überwachungsmaßnahme einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung in stationärer und mobiler Variante seit vielen Jahren sehr erfolgreich praktiziert: Die Unfallzahlen waren auf den überwachten Streckenabschnitten nachweisbar stark rückläufig.
Gegen eine Einführung in Deutschland wurden vielfach Datenschutzbedenken und eine fehlende Gesetzesgrundlage vorgebracht. Derzeit wird eine Streckengeschwindigkeitsüberwachung in keinem Bundesland praktiziert. Das Land Niedersachsen hat sich zwar als erstes Bundesland dazu entschlossen, eine Anlage im Jahr 2016 in Betrieb zu nehmen. Die Anlage ist auch technisch bereits errichtet worden, ein Probebetrieb wird aber erst zu einem Zeitpunkt aufgenommen werden, wenn die erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen wurden.
Stand der Wissenschaft
Die Strecken-Geschwindigkeitsüberwachung (Section Control) ist eine technische Messanlage zur Überwachung der Geschwindigkeit auf einer bestimmten Strecke und besteht aus mehreren technischen Erfassungseinheiten. Im Unterschied zu herkömmlichen Geschwindigkeitsmessanlagen werden nicht die Geschwindigkeitsspitzen der Fahrzeuge erfasst, sondern deren Durchschnittsgeschwindigkeiten auf einer definierten Strecke ermittelt. In einer ersten Phase wird jedes einen vorab definierten und technisch eingerichteten Messbereich durchfahrende Fahrzeug technisch gemessen (kumulative Phase). In der zweiten Phase findet zwischen den gemessenen Fahrzeugen eine Selektion statt (selektive Phase). Dabei werden diejenigen Messungen verworfen und deren Daten sofort spurenlos gelöscht, die den vorab definierten oberen Grenz-Messwert nicht erreichen (Nicht-Treffer) und nur diejenigen Messungen zum Zweck einer weiteren Sachbearbeitung gespeichert, die den Messwert erreichen oder überschreiten (Treffer). Die unmittelbar technisch mit der Messtechnik verbundene Fototechnik dokumentiert dauerhaft ausschließlich Normverstöße und basiert juristisch auf der vom Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erachteten Ermächtigungsnorm des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit dem § 46 Abs. 1 OWiG.