Verkehrssicherheit älterer Autofahrer
Bilanziert man die Straßenverkehrsunfälle in Deutschland seit 1980, so zeigt sich für die letzten zwei Jahrzehnte ein im Vergleich zur Gesamtentwicklung ungünstiger Verlauf bei den Straßenverkehrsunfällen von Senioren (ab 65 Jahre).
Beschlussfassung
- Eine Rückmeldefahrt unter qualifizierter Begleitung und ein standardisierter Rückmeldebogen müssen entwickelt werden. Sie sollte ab einem Alter von 75 Jahren in regelmäßigen Abständen obligatorisch sein und die Auswertungen empfehlenden Charakter haben.
- Instrumente zur besseren Selbsteinschätzung und anschließenden Selbstregulation müssen weiterentwickelt und der Zielgruppe nähergebracht werden. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei die Evaluierung der Rückmeldefahrten.
- Ärzte sollten in der Verkehrssicherheitsberatung von Senioren eine stärkere Rolle spielen.
- Fahrerassistenzsysteme und Automatisierung von Fahrfunktionen können ältere Kraftfahrer entlasten und unterstützen, wenn die Mensch-Maschine-Schnittstelle deren besondere Belange berücksichtigt.
- Straßeninfrastruktur und Straßenverkehrstechnik müssen an die Belange dieser Gruppe besser angepasst werden.
- Die Verkehrswacht setzt sich dafür ein, dass ein Angebot von anerkannten Trainingsprogrammen geschaffen wird, die bezahlbar sind.
Die Deutsche Verkehrswacht ruft die älteren Kraftfahrenden auf, in Eigenverantwortung regelmäßig zu prüfen, ob Einschränkungen ihrer Fahreignung vorliegen und darauf angemessen zu reagieren. Dazu gehören neben der Rückmeldefahrt mit einem Fahrlehrer und eventuell weiteren Übungsstunden auch eine ärztliche Überprüfung der Fitness, einschließlich der Seh-, Hör- und Reaktionsfähigkeit sowie die Überprüfung, ob sich die von ihnen eingenommenen Medikamente auf ihre Verkehrstüchtigkeit auswirken.
Problemstellung
Bilanziert man die Straßenverkehrsunfälle in Deutschland seit 1980, so zeigt sich für die letzten zwei Jahrzehnte ein im Vergleich zur Gesamtentwicklung ungünstiger Verlauf bei den Straßenverkehrsunfällen von Senioren (ab 65 Jahre). Die Entwicklung der gesamten Anzahl von Straßenverkehrsunfällen von Senioren verläuft ähnlich wie die Entwicklung der Bevölkerungszahl des entsprechenden Alters – und damit deutlich überproportinal zur Entwicklung bei den Nicht-Senioren. Während sich für ältere Fußgänger eine positive Entwicklung zeigt, verlief der Trend bei den älteren Pkw-Fahren und insbesondere den älteren Fahrradfahrern sehr ungünstig.
Dies ist zunächst einmal ein Expositionsproblem: mehr ältere Pkw-Fahrer lassen einen Anstieg der Unfallzahlen dieser Gruppe erwarten. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Verhaltensprobleme Älterer im Straßenverkehr, insbesondere bei der Führung von Kraftfahrzeugen, bei einer mit jüngeren Altersgruppen vergleichbaren Exposition ungünstige Unfallverursachungsraten bei den Senioren bedingen. Darauf gibt die mit höherem Alter deutlich steigende Unfallverursachungsrate einen Hinweis. Von den 75jährigen und älteren unfallbeteiligten Verkehrsteilnehmern wurden in fast allen betrachteten Jahren etwa 75% polizeilich als Hauptverursacher klassifiziert. Die Problematik besteht darin, dass vor allem ab einem Alter von etwa 75 Jahren sowohl die Unfallverursachungsbilanz wie die psychophysische Leistungsfähigkeit immer ungünstiger ausfallen. Unterstützungsmaßnahmen zur Erhaltung einer sicheren Mobilität im Alter sind deshalb sowohl individuell wie gesellschaftlich notwendig.
Stand der Wissenschaft
Die generelle Problematik kann nicht auf den individuellen Verkehrsteilnehmer bezogen werden. Risiken einer (etwaigen zukünftigen) Unfallverursachung können nicht zutreffend vorausschauend abgeschätzt werden. Das kalendarische Alter allein gibt für Maßnahmen der Selektion und ggf. Modifikation keinen hinreichenden Anlass. Denn keine Altersgruppe weist in ihren Leistungs- und Verhaltensprofilen eine so starke Heterogenität auf, wie „die Alten“.
Die Ergebnisse von empirischen Studien mit älteren Pkw-Fahrern zeigen regelmäßig deutliche Altersgruppenunterschiede in der sensorischen, motorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit, so weit dies über psychophysische Testverfahren festzustellen ist. In Fahrversuchen im Realverkehr und meist auch in Simulatorstudien finden sich dagegen nur wenige altersbezogene Unterschiede im Fahrverhalten. Ältere setzen gerade bei hoch geübten und wertgeschätzten Tätigkeiten unterschiedliche Kompensationsstrategien ein, die ihnen helfen, verminderte Leistungsfähigkeiten beim Alltagshandeln auszugleichen. Diese Selbstregulation setzt jedoch eine treffende Selbsteinschätzung voraus, die manchmal gerade im Hinblick auf Verluste bei den eigenen Möglichkeiten schwer fällt. Kompensation hat zudem ihre Grenzen: Extreme Anforderungen können häufiger nicht mehr sicher bewältigt werden.
Ein wissenschaftliches Problem mit erheblichen praktischen Auswirkungen liegt darin, dass bisher nicht eindeutig zu belegen ist, welche Testverfahren eine gültige und zuverlässige Prognose auffälligen Fahrens erlauben und damit bei einem auf Selektion (und ggf. Modifikation) ausgerichteten Screening eingesetzt werden könnten. Zudem haben die bekannten verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Testverfahren Fehlerraten, so dass es bei ihrer Anwendung zu einer beträchtlichen Anzahl fehlerhafter Zuweisungen kommen muss, also fälschlich als geeignet und fälschlich als ungeeignet klassifizierten Personen. Ein verpflichtendes Screening ist auf dieser Grundlage nicht vertretbar.
Eindeutiger positive Ergebnisse als mit Verfahrensweisen zur Selektion nicht (mehr) geeigneter Kraftfahrer wurden mit Trainings sowohl der kognitiven und der körperlichen Fähigkeiten als auch des Fahrens selbst, somit modifikatorischen bzw. unterstützenden Ansätzen erzielt. Angebote für Trainings zur Kompetenzerhaltung haben sich in diesen Forschungsprojekten als wirksam gezeigt.
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